NanoTech.
Life Sciences, ITK, Luft- und Raumfahrt...Die Flut an Pressemitteilungen über
technische Neuerungen aus den Laboren der Wissenschaft und Industrie überschwemmt
jeden Tag die Redaktionen. Inzwischen liegt die Chance einer Veröffentlichung
im Rahmen einer Tageszeitung im günstigsten Falls bei ca. 1:1.000. Um Kunden,
Partner und Investoren auf eigene Innovationen aufmerksam zu machen, sollten
bei der Planung und Gestaltung der Öffentlichkeitsarbeit für High-Tech Inhalte
einige Besonderheiten und potentielle Fehlerquellen beachten werden:
1. Over-Engineering statt
Kundenmehrwert
Wer
über Jahre an der Lösung eines kniffligen technischen Problems arbeitet, läuft zielsicher
Gefahr, daß er bzw. sie die ursprüngliche Fragestellung „wo drückt dem Kunden
der Schuh?“ völlig aus den Augen verliert. Stattdessen erhält das neue Produkt
eine Vielzahl an ungefragten Features, die nur mit Hilfe einer umfangreichen
Gebrauchsanweisung erlernt werden können. Die Lösung des Ingenieurs mag noch so
genial sein. Im Vordergrund der Kommunikation muß der direkte funktionale,
zeitliche, kostenmäßige oder emotional gefühlte Mehrwert für den Endkunden
stehen.
2. Komplexität und Hang zum technischen
Perfektionismus
Eng
verbunden mit der „Over-Engineering-Falle“ ist die mangelnde Fähigkeit komplexe
Zusammenhänge mit einfachen Worten, Analogien oder Einsatzszenarien zu
umschreiben. So werden nicht selten Entwürfe von Flyern, Pressemitteilungen und
Internetseiten mit zu vielen technischen Details angereichert. Die
Kernbotschaften verschwinden zwischen endlosen Aufzählungspunkten. „Weniger“
bedeutet im High-Tech-PR meistens „Mehr“. Sparen Sie sich die Details für das
Lastenheft, White Papers und Veröffentlichungen in Fachzeitschriften.
3. Text statt Bilder
Die
Auswahl einer Meldung für die nächste Ausgabe einer Zeitung hängt neben der
Glaubwürdigkeit und Aktualität auch von deren Emotionalität und Visualisierung
ab. Nachrichten, die als reine Textbotschaften ohne Bilder bzw. Originaltöne und
–videos versendet werden, kämpfen von Anfang an mit einer um 90% reduzierten
Veröffentlichungschance. Ausgenommen sind historische Ereignisse. Schätzen Sie
selber ein, ob Ihre Nachricht mit der Entdeckung des Higgs-Bosons konkurrieren
kann.
4. Kommunikation auf Expertenlevel –
mangelndes Vorwissen des Publikums
Der
Innovator befindet sich in einem Dilemma. Einerseits muß den verschiedenen
Stakeholdern glaubwürdig demonstriert werden, wer der richtige Experte ist.
Andererseits darf die Kommunikation niemals den Eindruck von Arroganz und
Besserwisserei erwecken. In einem Interview ist es daher gut, Journalisten und
Kunden mit Hilfe eigener Fragen und Szenarien zu einem Dialog und zum
Ausprobieren der Innovation bzw. entsprechender interaktiver Modelle zu motivieren.
5. Revolution statt Evolution
In
jedem Forscher und Entwickler steckt ein Pionier. Dieser Spirit läßt uns die
scheinbar endlose Zeit bis zum Durchbruch einer Idee überbrücken. Wenn der
Moment der Markteinführung unmittelbar bevorsteht, sollte mit der Ankündigung
gigantischer Veränderungen sparsam umgegangen werden. Eventuell erfordert die
dem Menschen natürlich gegebene Sorge vor allem Neuen eine stufenweise
Kommunikation.
6. Mangelndes Corporate Design
Egal
wie wichtig eine singuläre Information auch sein mag. Bitte verzichten Sie
darauf, in letzter Minute eine halb fertige Skizze vom Laborcomputer in den
Besprechungsraum zu tragen. Layout und die Einhaltung eines unternehmensweiten
Corporate Designs sind kritische Erfolgsfaktoren. Forscher und Entwickler müssen
erkennen, wie wichtig die Verpackung eines Inhalts ist.
7. Bananenstrategie und Produktrückrufe
in der Frühphase
Um
die Kosten für Produkttests zu minimieren, wurden in der Vergangenheit
insbesondere im Softwarebereich Innovationen mit noch nicht entdeckten Bugs
ausgeliefert. Fehlermeldungen von Anwendern halfen dem Unternehmen dann, sich
gezielt auf die notwendigen Optimierungen zu konzentrieren. Eine solche
Strategie ist heutzutage absolut inakzeptabel. Dennoch beinhaltet jedes Stück
High-Tech auch das Risiko eines Produktrückrufs. Prophylaktische Planungen zur
Krisenkommunikation sollten Bestandteil einer jeden High-Tech
Marketingkonzeption sein.
8. Fehlende Fanbasis und
Referenzprojekte
Um
eine kritische Masse an Media Response zu erzielen, reicht es nicht aus,
alleine die im Presseverteiler aufgeführten Redaktionen zu kontaktieren. Es ist
wichtig, innovationsfreudige Pilotkunden zu finden und sie zu Wort kommen zu
lassen. Die offene Kommunikation in sozialen Netzwerken ist ebenso ein Muß.
Externe Verbesserungsvorschläge sind wohlwollend zu prüfen und ggf. wie beim
Open Innovation Ansatz auch zu honorieren. Auf diese Weise erhält die High-Tech-PR-Maschinerie
zusätzliche Katalysatoren.
9. Einführung ohne Beachtung des
Wettbewerbs
High-Tech-Märkte
kennen meist nur zwei Plätze: den des Siegers und den der Verlierer. Durch
regelmäßige Audits können strategische Schwächen und Chancen frühzeitig
identifiziert werden. Darüber hinaus muß das Management in einem sich verschärfenden
Hyperwettbewerb auch mit unfairen Methoden wie Gerüchten, Abwerbung von Kunden
und Schlüsselpersonen, ruinösen Preiswettbewerb, Markenpiraterie oder auch
feindlichen Firmenübernahmen professionell umgehen können.
10. Mangelnde Glaubwürdigkeit durch
Subunternehmer
Pferdefleisch
in Lebensmitteln, Toyota-Rückrufaktionen wegen Qualitätsproblemen von
Lieferanten sind der Preis der Globalisierung. Um so wichtiger ist es, entlang
der gesamten Wertschöpfungskette verbindliche Standards zu definieren und sie
offen zu kommunizieren.
Public
Relations von High-Tech-Lösungen folgt den Grundregeln der Öffentlichkeitsarbeit.
Zusätzlich erfordert sie wie dargestellt auch individuelle Herangehensweisen. Andernfalls
besteht eine sehr gute Chance, daß eine allzu „werbische“ Meldung nicht den
Spam-Filter des Journalisten überspringt. Und wer möchte von uns Lesern und
Zuschauern eine Low-Interest-Meldung finden.